[Ungarn] Auf Streifzug durch das Jüdische Viertel in Budapest

Ihr kennt das bestimmt: Ihr kommt an einen neuen Ort, schaut euch kurz um – und binnen Sekunden ist es um euch geschehen. Schockverliebt. Uns jedenfalls ist es schon viele, viele Male so ergangen. Nur nicht in Budapests Jüdischem Viertel. Der viel gelobte Szene-Hotspot konnte unser Herz anfangs so gar nicht zum Hüpfen bringen. Im Gegenteil. Als wir zum ersten Mal durch schmalen Straßen nördlich der Großen Synagoge liefen, blickten wir auf dunkle Schaufenster, verschlossene Türen, zusammen gekettete Stahltore. Ein paar vereinzelte Gestalten mit Aktentaschen oder Einkaufstüten eilten geschäftig den Gehweg entlang. Mit den hippen Hauptstädtern, die wir hier eigentlich erwartet hatten, hatten sie nur wenig gemein. Ein dumpfes Gefühl der Enttäuschung machte sich schleichend in der Magengrube bereit. Bevor es jedoch die Oberhand gewinnen konnte, erinnerten wir uns daran, warum wir überhaupt hier waren: unser Apartment* befand sich gleich um die Ecke am Klauzál-Park. Vielleicht ist es dort ja schöner? Hoffnungsvoll machten wir uns auf den Weg – der wenige Minuten später jäh vor einem riesigen Baugerüst endete. Echt jetzt? Entsetzt überprüften wir die Hausnummer. Doch es bestand kein Zweifel: Das hier war unser Haus. Genau hier befand sich unsere Wohnung. Irgendwo versteckt hinter der schmuddeligen Plane. Nun gut, nützt ja nichts. Gebucht ist gebucht. Unsere Koffer unter den Arm geklemmt kletterten wir tapfer über Bauschutt, leere Farbeimer, Plastiksäcke – und standen plötzlich inmitten eines ruhigen Innenhofes.

Wer hätte das erwartet? Wir jedenfalls nicht!

Wow, damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet! Auch unsere Wohnung* entpuppte sich als absoluter Glücksgriff. Sauber, modern und durchgestylt bis ins letzte Detail. Wieder einmal lernten wir: Man sollte besser nicht vorschnell urteilen! Also beschlossen wir, auch dem Jüdischen Viertel noch eine zweite Chance zu geben. Und siehe da: aus anfänglicher Skepsis wurde Liebe. Große Liebe! Während unseres fünftägigen Städtetrips haben wir schlussendlich viele, viele Stunden im Jüdischen Viertel verbracht. Wo es uns am besten gefallen hat, verraten wir euch in diesem Beitrag. 

Außen pfui, innen hui: Budapests Ruinenkneipen

Sie sind heute aus der Kulturszene der Stadt nicht mehr wegzudenken: Ruinenkneipen. Mit ihnen wurde einst leerstehenden (Abriss-)Häusern und trostlosen Hinterhöfen neuen Leben eingehaucht. Oft lässt sich von außen kaum erahnen, welch‘ verrückte Welt sich hinter den dicken Mauern verbirgt. Bestes Beispiel: „Szimpla Kert“ (Kazinczy utca 14), Budapests wohl bekannteste Ruinenkneipe. Auf den ersten Blick ein gewöhnliches Haus, nur der üppig dekorierte Balkon fällt irgendwie ins Auge. Durchschreitet man aber den großen Hauseingang, gelangt man an einen Ort, der bunter und außergewöhnlicher nicht sein könnte. Es scheint fast, als habe jemand sämtliche Flohmärkte Ungarns abgegrast und seine Schätze hier zusammengeführt. Man sitzt auf bunten Holzhockern, ausrangierten Turngeräten und alten Autos – inmitten von totgeglaubten Röhrenfernsehern, umfunktionierten Telefonzellen, flackernden Lichterketten und jeder Menge nostalgischem Kitsch. Eine absolut großartige Atmosphäre, die man unbedingt erlebt haben sollte! Am besten kommt man zwei mal her: einmal mittags, wenn die Kneipe gerade ihre Tore geöffnet hat, damit man sich ganz in Ruhe umschauen kann und einmal abends, damit man live miterleben kann, wie dieser besondere Ort Massen an Menschen in seinen Bann zieht.

Wir haben aber noch zwei weitere Ruinenkneipen-Empfehlungen für euch. An warmen Sommertagen lohnt sich ein Besuch im „Köleves Kert“ (Kazinczy utca 37), einem super gemütlichen Biergarten mit absolut fairen Preisen. Wenn ihr früh kommt, ist vielleicht mit etwas Glück noch eine der heiß begehrten Hängematten frei. Wer es lieber etwas ruhiger mag, sollte im „Anker’t“ (Paulay utca 33) vorbei schauen, sofern dort nicht gerade irgendeine Veranstaltung stattfindet (was tatsächlich fast jeden Abend der Fall ist – los geht’s aber meist erst gegen 22 Uhr).

Shopping-Spaß der besonderen Art: Kunsthandwerkermarkt im Gozsdu-Hof

Zwischen Montag und Samstag ist die lange Passage des Gozsdu-Hofes eine ganz gewöhnliche Kneipen- und Restaurantmeile. Wer Hunger hat oder den Tag mit einem kühlen Drink besiegeln möchte, ist hier genau an der richtigen Adresse. Seid jedoch gewarnt: besonders an den Wochenende kann es hier ganz schön laut und voll werden – und nicht jeder weiß sich zu benehmen. Wir erinnern uns noch gut, wie wir freitags abends im Außenbereich des „BRKLYN“ saßen und genüsslich unsere Cocktails schlürften, als auf einmal von oben Gegenstände geflogen kamen. Da haben wir uns lieber schnell aus dem Staub gemacht!

Stattdessen sind wir lieber sonntags vormittags nochmal hergekommen. Dann verwandelt sich die  schmale Hof-Passage nämlich in einen schönen Kunsthandwerkermarkt („Gouba“), auf dem verschiedene Händler einen interessanten Mix an Altem und Neuem anbieten. Souvenirjäger kommen hier bestimmt voll auf ihre Kosten. Auch wir haben das eine oder andere Mal zugeschlagen und unter anderen einen schicken Ton-Magneten für unseren Kühlschrank und ein hübsches Paar Ohrringe gekauft.

Auf den Spuren der jüdischen Kultur: Die Große Synagoge 

Wenn man schon im Jüdischen Viertel unterwegs ist, liegt es natürlich nahe, sich auch ein wenig mit der jüdischen Kultur zu beschäftigen. Die beste Anlaufstelle hierfür ist die „Große Synagoge“ in der Dohány utca. Mit 3.000 Sitzplätzen ist sie die größte Synagoge Europas und sie öffnet sonntags bis freitags auch für nicht-jüdische Besucher ihre Tore.  Es lohnt sich, früh vor Ort zu sein, dann ab dem späten Vormittag werden hier regelmäßig ganze Busladungen an Reisegruppen ausgekippt. Dann ist Schlange stehen angesagt und mit der Ruhe, die einem Gotteshaus erst seine besondere Atmosphäre verleiht, ist es definitiv vorbei.

Der Innenraum der Synagoge ließ uns staunen.

Herzstück der Synagoge ist der große Innenraum mit seinen prachtvollen Leuchtern und den reich verzierten Decken. Auf der mächtigen Orgel hinter dem Podium im vorderen Bereich hat sogar schon der berühmte ungarische Komponist Franz Liszt gespielt. Genau diese Orgel hat sich allerdings in der Gemeinde keiner allzu großen Beliebtheit erfreut. Ähnlich war es auch mit Synagoge im Allgemeinen, deren Optik viele Gemeindemitglieder zu sehr an eine Kirche erinnerte. Das Missfallen ging so weit, dass sich die Gemeinde im Jahr 1869 spaltete.

Auf dem Gelände der Synagoge befinden sich außerdem noch das Ungarische Jüdische Museum und der schön angelegte Raoul-Wallenberg-Gedenkpark mit dem etwas eigenwilligen „Baum des Lebens“, der aber unbestritten ein schönes Fotomotiv darstellt.

Bunt, bunter, am buntesten: Auf der Jagd nach dem besten Streetart-Motiv

Wir lieben Streetart – auch wenn wir zugeben müssen, dass der Grat zwischen Kunstwerk und Schmiererei oft ziemlich schmal ist. Im Jüdischen Viertel gibt es zum Glück eine Vielzahl von Wandbildern, deren Künstler ihr Handwerk wirklich verstehen. Es macht unglaublich Spaß, durch die Straßen zu streifen und Ausschau nach der nächsten bunten Wand zu halten. Wer lieber gezielt auf die Jagd gehen möchte, findet unter www.budapestflow.com eine detaillierte Karte mit allen Spots und kann sich sogar für eine geführte Streetart-Tour anmelden.

Bummeln und Kaffee trinken: Ein Spaziergang entlang der Király utca

Gehört die Király utca überhaupt noch zum Jüdischen Viertel? So ganz genau wissen wir‘s ehrlich gesagt nicht. Nur eins können wir mit Sicherheit sagen: Es lohnt sich, dort entlang zu schlendern. Allein schon wegen „GOAMAMA“ (Hausnummer 21). Das kleine Café ist unglaublich liebevoll eingerichtet, so dass wir uns wirklich zusammenreißen mussten, nicht stundenlang dort zu verweilen. Außerdem wird natürlich herrlich duftender Kaffee und super leckerer Kuchen kredenzt. Bevor ihr schlussendlich aufbrecht, solltet ihr unbedingt noch für eine kurze Stippvisite im nebenan gelegenen „GOAHOME“ vorbei schauen. Auch wenn die meisten Gegenstände in diesem hübschen Einrichtungsgeschäft definitiv zu groß für den Koffer sind, ist es trotzdem eine Freunde, zwischen den Regalen zu stöbern. 

Auf einen Kaffee im GOAMAMA.

Ansonsten gilt: einfach die Straße hinab laufen und dort einkehren, wo es euch gefällt. Wir sind uns sicher, dass hier jeder sein persönliches Lieblingslokal entdecken wird. An der Hausnummer 13 befindet sich übrigens der Zugang zum Gozsdu-Hof. Kurz bevor ihr die große Hauptstraße  Károly krt. erreicht, empfehlen wir noch einen kurzen Abstecher in die Anker köz. Der dort befindliche „Retrock Designer Vintage Store“ hat ein tolles Sortiment an ausgefallenen Vintage-Klamotten.

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