[Südinsel] Bunt. Lebhaft. Christchurch.

Ganz ehrlich: Vor unserem Besuch in Christchurch war uns ein bisschen mulmig zumute. Neuseelands zweitgrößte Stadt wurde 2010 und 2011 von zwei Erbeben schwer erschüttert, 186 Menschen haben ihr Leben verloren. Der Wiederaufbau des historischen Stadtzentrums ist lange nicht abgeschlossen. Die zerstörerische Kraft der Naturkatastrophen ist noch an vielen Ecken deutlich sichtbar, den traurigsten Anblick bietet jedoch die ehemals imposante Christchurch Cathedral, deren 63 Meter hoher Kirchturm wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist. Und dennoch kämpft sich die quirlige Stadt tapfer weiter zurück ins Leben, versucht, kreativ mit den Folgen des Unglücks umzugehen. Das wollten wir uns einfach nicht entgehen lassen!

Unser Ausgangspunkt war Quake City (99 Cashel Street) – ein kleines, aber feines Museum, das sich inhaltlich voll und ganz den beiden Erdbeben von 2010 und 2011 widmet. Wir wollten unbedingt verstehen, was hier vor einigen Jahren passiert ist und die Stadt bis heute so schwer beschäftigt. Die Ausstellung ist wirklich interessant, besonders die zahlreichen Fotos und die Interviews mit Augenzeugen haben uns sehr bewegt, auch wenn sie natürlich nur ein vages Gefühl des tatsächlichen Schreckens vermitteln können. Kurios ist auch die Geschichte zum „Aftershock“ Beer der Three Boys Brewery: ein Nachbeben des großen Erdbebens vom 04. September 2010 verursachte einen kurzzeitigen Stromausfall und legte so den Brauprozess einer kompletten Charge Golden Ale lahm. Mit etwas Improvisationsgeschick konnte die Produktion zwar fortgesetzt werden, allerdings erreichte das Bier durch die längere Gärzeit während der Unterbrechung einen außergewöhnlich hohen Alkoholgehalt. Dieser lag bei 7,1 % Vol. und entsprach damit genau der Stärke des Haupterdbebens auf der Richterskala. Eine wirklich verrückter Zufall, der der kleinen Brauerei aber zumindest zu einem gewissen Bekanntheitsgrad verhalf. Eine nette Idee ist auch der Legotisch am Ende des Museums, an dem Groß und Klein mit selbst gestalteten Legohäusern dazu beitragen können, die Stadt wieder aufzubauen und neu zu gestalten. Die schönsten Häuser werden ausgestellt. Der Eintrittspreis ist mit ca. 13 Euro pro Person sicherlich kein Schnäppchen und jeder muss selbst entscheiden, ob er so viel Geld ausgeben möchte. Wir jedenfalls haben es nicht bereut. Für euren Museumsbesuch solltet ihr zwischen 60 und 90 Minuten einplanen, um alles in Ruhe anschauen zu können.

Von Quake City sind es nur wenige Meter bis zur Re:START Mall, die ihr auf keinen Fall verpassen solltet. Dieses ungewöhnliche Einkaufszentrum bestehend aus vielen farbenfrohen Metallcontainern ist quasi aus der Not heraus entstanden: durch das Erbeben sind viele Gebäude und damit auch diverse Geschäftsräume schwer beschädigt worden, der Wiederaufbau dauert weiterhin an. Damit die betroffenen Ladenbesitzer in der Zwischenzeit ihre Geschäfte weiter betreiben können, wurde kurzfristig die Container Mall geschaffen. Und sie kann sich wirklich sehen lassen! Schicke Boutiquen wechseln sich ab mit witzigen Geschenkeläden, in denen ihr viele tolle Souvenirs kaufen könnt. Dazwischen gibt es immer wieder gemütliche Sitzplätze zum Ausruhen. Für den Hunger zwischendurch bieten diverse Cafés und Snackbuden leckere Kleinigkeiten für jeden Geschmack an. Wir haben ein paar Sonnenstrahlen für eine kleine Auszeit genutzt und das ganz besondere Flair dieses Ortes auf uns wirken lassen: ein perfektes Beispiel dafür, wie das energiegeladene Christchurch langsam wiederbelebt wird.

Fast noch mehr beeindruckt haben uns allerdings die zahlreichen Kunstprojekte, die Christchurchs Straßen und Hausfassaden zieren. Die verlassenen und teils baufälligen Gebäude dienen als Leinwände für riesengroße Wandbilder, von denen eines cooler ist als ist das andere. Es gibt sogar eine eigene Organisation (www.gapfiller.org.nz), die leerstehende Flächen mit temporären Installationen wieder zum Leben erweckt. Ob eine gigantische Outdoor-Spielekonsole mit mannsgroßem Joystick oder ein kleiner Minigolf-Parcours – eine Idee ist verrückter als die andere. Auf der Homepage findet ihr sogar einen Stadtplan, auf dem alle aktuellen Installationen verzeichnet sind. Lasst euch diesen Spaß nicht entgehen!

Christchurch ist aber noch so viel mehr als die von Erdbeben geplagte Stadt und ihre kreative Art, damit umzugehen.

Die schöne New Regent Street, die mit ihren pastellfarbenen Häusern im spanischen Kolonialstil als eine der hübschesten Straßen Neuseelands gilt, hat beide Naturkatastrophen fast unbeschadet überstanden. Die Gebäude aus den frühen 1930er-Jahren beherbergen heute zahlreiche kleine Geschäfte und Cafés, die zu einem entspannten Schaufensterbummel einladen.

Die weitläufigen Botanischen Gärten an der Rolleston Avenue bilden eine grüne Oase inmitten des Stadttrubels und eignen sich hervorragend für einen ausgedehnten Spaziergang. Es gibt zahlreiche Themengärten, darunter ein Kräutergarten, ein Rosengarten und ein Magnoliengarten. In den Sommermonaten werden sogar Führungen angeboten. Informiert euch bei Interesse am besten vorab im Botanical Gardens Information Centre.

Auf dem Avon kann man eine romantische Bootsfahrt mit dem Stocherkahn unternehmen. Die 30-minütige Tour kostet ca. 18 € pro Person und klingt schon verlockend: ein bisschen Venedig mitten in Neuseeland! Wir haben uns aus Zeitgründen allerdings gegen die Bootstour entschieden.

Ihr seht also: Christchurch hat viel zu bieten. Es ist vielleicht keine schöne Stadt im klassischen Sinne, aber wer genauer hinsieht, wird viele liebenswerte Details erkennen, die einen Besuch auf jeden Fall lohnenswert machen. So ist es uns jedenfalls ergangen.

Kaikoura – ein Paradies für Seebären

Zieht es euch weiter Richtung Norden? Oder seid ihr vielleicht von Norden aus unterwegs nach Christchurch? Dann macht doch Halt in Kaikoura! Auf der zerklüfteten Halbinsel kann man wunderbar die unzähligen Seebären der Point Kean Seal Colony beobachten. Mit etwas Glück erspäht man vielleicht sogar Pinguine oder Delfine. Durch günstige Strömungsverhältnisse sind die Gewässer hier besonders nahrungsreich und ein Paradies für viele Meeresbewohner.

Wir haben unser Auto auf einem kleinen Parkplatz am Ende des Fyffe Quay abgestellt. Auf den angrenzenden Felsen räkelten sich bereits die ersten Seebären friedlich in der Sonne. Aber der Schein trügt: man sollte den Tieren lieber nicht zu nahe kommen und ihnen bloß nicht den Weg zum Meer versperren, sonst können sie richtig ungemütlich werden. Weil uns nach ein bisschen Bewegung zumute war, sind wir der Beschilderung zum Peninsula Walkway gefolgt und konnten nach ein paar recht harmlosen Höhenmetern einen tollen Panoramablick über die gesamte Landzunge genießen. Der Weg führte uns weiter südwärts entlang der Klippen, tief unter uns konnten wir immer wieder kleine Kolonien von Seebären ausmachen. Wer möchte, kann auf dem Rundweg bis zur South Bay und wieder zurück laufen (Dauer 3-4 Stunden). Uns war das allerdings zu weit und außerdem zogen am Horizont langsam dunkle Wolken auf. Nach etwa einer halben Stunde erreichen wir eine kleine Treppe, die hinunter zu den Felsen und damit näher an die Seebären heranführte. Von hier oben konnten wir zumindest einen Trampelpfad erkennen, der über die Felsen grob in Richtung des Parkplatzes verlief. Wir hatten also die Qual der Wahl: auf gleichem Wege wieder zurück (die sichere Option) oder dem Trampelpfad vertrauen, auf dass er nicht plötzlich an einer Felsspalte endete (das Abenteuer).

Wir wählten das Abenteuer. Außer uns schien keine Menschenseele unterwegs zu sein und so langsam türmten sich die Wolken bedrohlich auf. Wir hatten Glück: der Pfad war größtenteils gut begehbar, nur auf den letzten paar hundert Metern mussten wir ein bisschen klettern. Dafür konnten wir die Seebären aus nächster Nähe betrachten, die einrollende Flut ließ die kleinen Kerlchen langsam aktiver werden. Kurz bevor wir den Parkplatz erreichten, fielen die ersten Regentropfen. Na wenn das nicht mal perfektes Timing war.

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