Worte wie „Naturschutzgebiet“ oder „Weltnaturerbe“ haben immer eine magische Wirkung auf uns. Deswegen stand auch gar nicht zur Diskussion, ob wir das Vallée de Mai auf Praslin besuchen oder nicht. Direkt am zweiten Morgen unseres Urlaubs warteten wir voller Vorfreude an der Haltestelle vor unserer Unterkunft, dem Palm Beach Hotel, auf den knatternden Inselbus, der nach deutschem Maßstab seine ursprünglich angedachte Lebensdauer schon seit einigen Jahren überschritten hatte. Aber er leistete zuverlässig seinen Dienst und spuckte uns nach wenigen, holprigen Minuten direkt vor den Toren des riesigen Palmenwaldes aus. Wir zahlten brav unseren Eintritt (auch wenn wir bei knapp 20€ pro Person schon einmal kurz schlucken mussten) und entschieden spontan, uns zunächst der englischsprachigen Führung anzuschließen, die alsbald starten sollte. Eigentlich sind wir ja lieber auf eigene Faust unterwegs, aber weil erstens Flora und Fauna im Valleé de Mai etwas ganz Besonderes sind und es zweitens mit unseren botanischen Kenntnissen wirklich nicht sehr weit her ist, waren wir froh über die fachkundige Begleitung. Am frühen Morgen blieb die Gruppe zum Glück relativ überschaubar. Und so stiefelten wir gemeinsam los, tief hinein in das grüne Herz der Seychellen.

Zu Beginn gab’s direkt mal einen Crashkurs in Botanik!
Das Vallée de Mai ist der letzte Rest eines riesigen, prähistorischen Palmenwaldes, der schon seit Millionen von Jahren existiert und einst sogar Teil des Urkontinents Gondwana war. Durch die geografische Isolation der Seychellen konnten sich dort eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt entwickeln, die bis heute dank Ausrottung nicht-endemischer Pflanzen geschützt wird. Besonderer Schatz des knapp 20 Hektar großen Waldgebiets ist die Seychellenpalme Coco de Mer, die – abgesehen von der Nachbarinsel Curieuse – nirgendwo sonst auf der Welt natürlich vorkommt. Etwa 6.000 Exemplare ragen hier bis zu 40 Meter hoch in die Luft. Die Coco de Mer ist zweigeschlechtlich: die männlichen Bäume beeindrucken mit bis zu 2 Meter langen Blütenständen, die weiblichen Bäume bringen die außergewöhnlichen Samen hervor. Ein einziger Samen kann bis zu 50 Zentimeter lang und bis zu 25 Kilo schwer werden. Entsprechend imposant sind auch die Früchte der Palme, die bis zu drei Samen enthalten können. Jede weibliche Palme bildet meist nur eine Frucht pro Jahr und ihre Reifung kann ganze 7 Jahre dauern. Kein Wunder also, dass die Samen überaus beliebt sind (auch, weil man ihnen lange Jahre eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt hat). Wer einen als Souvenir mitbringen möchte, muss einige hundert Euro über den Tisch wandern lassen und braucht außerdem ein Ausfuhrzertifikat. Ziemlich verrückt, finden wir.

Der Samen der Coco de Mer ist ganz schön schwer!
Der Name „Coco de Mer“ entstammt übrigens einem Irrglauben: in Indien und auch auf den Malediven wurden früher immer mal wieder Seychellennüsse an Land gespült, die ins Wasser gefallen und aufgrund eines verfaulten Kerns nicht untergegangen sind (mit intaktem Kern wären sie zum Schwimmen viel zu schwer gewesen). Wind und Strömung trieben sie über hunderte Kilometer weit in fremde Gefilde. Die Einwohner dort konnten die seltsame Nuss nicht einordnen und hielten sie für eine Frucht des Meeres. Eben: eine „Meereskokosnuss“. Heute weiß man es natürlich besser, aber die irreführende Bezeichnung ist geblieben. Vielleicht, weil sie so wunderschön poetisch klingt.

An vielen Stellen gibt es noch echten Urwald.
1966 wurde das Vallée de Mai zum Nationalpark erklärt, 1983 zum UNESCO Weltnaturerbe. Seitdem wird es gehegt und gepflegt. Besuchern stehen drei verschiedene Spazierwege zur Verfügung, die sich auch prima zu einem etwa 4 Kilometer langen Rundweg kombinieren lassen. Im Informationszentrum gibt es eine entsprechende Karte. Schautafeln hier und dort liefern die wichtigsten Hintergrundinfos zum Nationalpark. Aber: sie können eben nur auf das hinweisen, was genereller Natur ist oder sich nicht vom Fleck bewegt. Der scheue Black Parrot, der hoch über den Köpfen der Besucher leise durch die Baumwipfel hüpft, bleibt dem ungeschulten Auge verborgen. Der grüne Gecko, der flink den Baumstamm hinauf flitzt, geht unter in dem gewaltigen Blättermeer. Und genau hier kommt der Parkführer ins Spiel! Er weist hin auf all die kleinen Dinge, die außerhalb des eigenen Blickfelds passieren. Zeigt all die Besonderheiten, die man schlichtweg übersieht.

„Revierkampf“ mit einem kleinen Tenrek.
Wir hatten Glück und konnten dank des feinen Spürsinns unseres Führers während der knapp eineinhalbstündigen Tour viele Bewohner des Waldes aus nächster Nähe beobachten – von Spinnen über Schlangen bis hin zu laut schnatternden Vögeln. Selbst ein Tenrek kreuzte unseren Weg. Ein ziemlich putziges Kerlchen, das an eine wilde Mischung aus Igel und Maus erinnert und zur Freude aller Anwesenden auch noch versuchte, an Patryks Schuh hochzuklettern. Wohl mit einem Baum verwechselt… Kann ja mal passieren bei knapp 2 Metern Körpergröße. Nur mit dem Fotografieren gestaltete es sich etwas schwierig. Die felligen und gefiederten Zeitgenossen wollten partout nicht still halten – egal wie leise wir uns anschlichen. Selbst der zutrauliche Bulbul ließ sich nicht zu einem Portrait überreden. So ist es eben mit der lieben Tierwelt.
Aber kein Grund zur Traurigkeit: auch die majestätischen Seychellenpalmen machten sich unglaublich gut als Fotomotiv – besonders in dem diffusen Sonnenlicht, das nur hier und dort durchs dichte Blätterdach drang.

Ab in den Dschungel!
Nach dem offiziellen Ende der Führung ließen wir unsere Mitstreiter so schnell wie möglich hinter uns und tauchten zu zweit nochmal ein in den faszinierenden Wald. Plötzlich hielten wir inne. Denn wir hörten: nichts. Absolut gar nichts. Um uns herum herrschte Stille, die nur hin und wieder von den schrillen Rufen der Vögel unterbrochen wurde. Die Außenwelt jenseits des Blätterdachs schien wie ausgeknipst. Eine absolut einmalige Atmosphäre, die uns kurz eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

Vom Aussichtspunkt hat man einen tollen Blick über den Dschungel!
Wir entschieden uns noch für einen kurzen Abstecher zum Viewing Point, um das Vallée de Mai von oben zu bestaunen, dann kehrten wir langsam zum Parkausgang zurück – mit klopfendem Herzen und unglaublich dankbar für die schöne Zeit, die wir in diesem Naturparadies verbringen durften.