Es war ein heißer, trockener Dezembermorgen. Ganz typisch für Oman. Der Asphalt flimmerte vor unseren Augen in der Sonne. Dabei zeigte die Uhr gerade mal kurz nach 11, als wir von der Hauptstraße auf den großen Parkplatz abbogen. Vor 2 Stunden hatten wir Muscat verlassen, nun waren wir endlich am Ziel. Nizwa. Eine Oase am Fuße des Jebel Akhdar Gebirges. Für manche die heimliche zweite Hauptstadt des Landes (immerhin gab es in den 70ern tatsächlich mal Überlegungen, Nizwa ganz offiziell zur Hauptstadt zu machen). Die alte Handelsstadt ist heute ein wichtiges religiöses Zentrum des Landes.
Unser erster Tagesprogrammpunkt: ein Besuch des Nizwa Fort. Das sehr imposante Bauwerk liegt mitten im Stadtzentrum und ist dank seines mächtigen Rundturms kaum zu übersehen. Es zählt zu den ältesten Befestigungsanlagen in ganz Oman (erbaut im 17. Jahrhunderts, mittlerweile natürlich restauriert) und ist ein wunderschönes Beispiel der traditionellen omanischen Baukunst.
Nach ein paar kleinen Orientierungsschwierigkeiten (Fort gefunden, aber wo war der Eingang?) zahlten wir die kleine Eintrittsgebühr, betraten die Anlange und landeten in einem hübsch gestalteten Innenhof. Ein paar Einheimische saßen im Schatten und winkten uns freudig zu. Nanu, wieso die Aufmerksamkeit? Wir blickten uns verwundert um. Aha, außer uns waren keine weiteren Touristen zu sehen. Umso besser! Wir wechselten ein paar kurze Worte auf Englisch und starteten unsere Besichtigungstour. Natürlich oben, auf dem Turm! Erstmal hoch und einen Überblick verschaffen. Das bedeutete in dem Fall: Treppe steigen. Diese führte uns zunächst hinauf zu einem zweiten Hof inmitten des Turms. Von hier wurden früher offenbar die Kanonen abgefeuert. Ein paar stattliche Exemplare standen zumindest vereinzelt noch herum. Die heiß ersehnte Aussicht ließ allerdings noch auf sich warten (wenn man von den kleinen Kanonenschächten mal absieht, durch die man zumindest einen kleinen Blick erhaschen konnte). Dafür gab es aber drei weitere Treppen, die zu kleinen Aussichtsplattformen auf Höhe des alten Wehrgangs führten. Dort angekommen wurden wir mit tollen Ausblicken belohnt: auf riesige Dattelplantagen, auf das mächtige Hajar-Gebirge am Horizont, auf die große Kuppel der Moschee von Nizwa und auf die umliegenden Häuser der Stadt – je nachdem, auf welcher Plattform man gerade steht. Wirklich beeindruckend!

Vom Dach des Forts hat man einen tollen Blick auf die Oase Nizwa
Anschließend tauchten wir ein in ein spannendes Labyrinth aus Gängen und Treppen. Ganz bewusst so gebaut, um früher Eindringlinge in die Irre zu führen. Klappte auch mit uns ganz gut. Waren wir hier nicht gerade schon mal? Gefühlt liefen wir im Kreis, tatsächlich aber entdeckten wir immer wieder neue Einzelheiten der Festung, darunter Falltüren und eigenartige Schächte, durch die Angreifer mit kochendem Dattelsirup übergossen wurden. Hatten wir zum Glück nicht zu befürchten. Auch die verschiedenen Kammern und Innenräume überraschten uns immer wieder mit ihrer detailgetreuen Gestaltung. Besonders die kleine Bibliothek (wir vermuten zumindest, dass es eine war) mit ihrem bunten Teppich und den unzähligen Büchern in der Fensternischen hat es uns angetan. Aber auch der traditionelle Schlafraum mit dem etwas windschiefen Bett war interessant zu erkunden.
Als wir irgendwann beiläufig auf die Uhr schauten, konnten wir kaum glauben, dass wir schon fast eineinhalb Stunden in der Festung unterwegs waren. Also begaben wir uns so langsam aber sicher in Richtung Ausgang (der übrigens gar nicht so leicht zu finden war). Kaum hatten wir die Festung hinter uns gelassen, stolperten wir quasi mitten hinein in den berühmten Souk von Nizwa. Fast hätten wir es gar nicht bemerkt, denn es war kaum was los. Lag mal wieder an der Uhrzeit, denn das geschäftigste Treiben herrscht hier wohl früh morgens, wenn all die Einheimischen ihre Einkäufe tätigen. Laut Internet kommt man am besten freitags morgens her, denn dann findet zusätzlich noch ein großer Viehmarkt statt. Hatten wir mal wieder zu spät gelesen. Tja, das ist das Los der spontanen Ausflüge. Aber wir ließen uns die Laune nicht verderben und bummelten gemütlich durch die Straßen. Dabei entdeckten wir viele kleine Lädchen mit dem landestypischen Silberschmuck, für den Nizwa so bekannt ist. Aber auch die vielen bunten Töpfereien waren schön anzusehen. Gekauft haben wir allerdings nichts, denn in unserem Hotelzimmer warteten schon ein paar Souvenirs, die wir günstig auf einem lokalen Markt in Fanja erstanden hatten.
Irgendwann erweiterten wir unseren Erkundungsradius und ließen den Souk hinter uns. Im Rest der Altstadt herrschte gähnende Leere. Und irgendwie schien es fast ein bisschen so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Wir passierten verwitterte Holztore und Eisentüren, von denen schon vor etlichen Jahren die Farbe abgeplatzt war. Was wohl früher dahinter gelegen haben mag? Zum Abschluss unseres Stadtrundgang gönnten wir uns eine wohlverdiente Erfrischung in einem kleinen Restaurant in irgendeiner Seitenstraße.
Misfah: Wo die Zeit stehen geblieben scheint
Nun war es an der Zeit, Nizwa den Rücken zu kehren. Denn wir hatten noch einen weiteren großen Programmpunkt auf unserer Agenda stehen: die Besichtigung der Bergoase Misfah. Das Foto im Reiseführer hatte uns sofort überzeugt: am Steilhang angelegte Terrassenfelder und eine Handvoll Häuser, die abenteuerlich in den Berg gebaut sind. Das wollten wir uns ganz unbedingt selbst anschauen!

Auf dem Weg nach Misfah begegnen uns unwirkliche Landschaften
Mit dem Auto brauchten wir nochmal gut eine Stunde bis dorthin und schon allein die Fahrt war ein einziges Abenteuer. Die Landschaft wurde immer unwirklicher, je näher wir den Bergen kamen. Sind wir wirklich noch auf dem Planeten Erde? Die eindrücklichen Steinwüsten um uns herum ließen uns manchmal tatsächlich zweifeln. Auf den letzten Kilometern schlängelte sich die Straße kurvenreich am Berg entlang. Zwischendurch hielten wir an, um das Panorama um uns herum zu genießen. Absolut irre! Die aufziehenden Wolken ermahnten uns allerdings, unseren Weg schleunigst fortzusetzen, denn wir wollten Misfah unbedingt trockenen Fußes erkunden. Wer hat in Oman schon einen Regenschirm dabei? Wir jedenfalls nicht!

Eine Oase inmitten einer unwirklichen Landschaft unter bedrohlichen Wolken – atemberaubend!
Zum Glück erreichten wir schon wenig später unser Ziel und stellten das Auto auf einem kleinen Parkplatz am Straßenrand ab. Vorsichtig gingen wir ein paar Schritte in das alte Bergdorf hinein – und wurden von einer ganz besonderen Atmosphäre empfangen, die sich kaum in Worte fassen lässt. Ruhig. Und friedlich. Und irgendwie auch ein bisschen fremd. Wir fühlten uns, als wären wir gerade aus einer Zeitreisekapsel geklettert. Die Häuser um uns herum waren grundsätzlich noch bewohnt, aber keine Menschenseele ließ sich blicken. Trotzdem gingen wir vorsichtig mit unserer Kamera um.

Der Blick auf die Oase Misfah lässt einen die Wüste um sich herum glatt vergessen
Zu gerne hätten wir noch mehr von diesem einzigartigen Dorf gesehen. Auf dem großen Schild am Parkplatz waren sogar einige Wanderwege ausgewiesen, die zum Teil auch in das Wadi zu unseren Füßen hinab führen. Wäre bestimmt spannend gewesen. Aber der Himmel am Horizont hatte sich mittlerweile bedrohlich dunkel gefärbt und wir wollten kein Risiko eingehen. So ein Gewitterschauer in den Bergen muss nun wirklich nicht sein… Außerdem hatten wir noch gute zweieinhalb Stunden Fahrt zurück bis nach Muscat vor uns. Also kehrten wir schweren Herzens zum Auto zurück und fuhren nochmal schnell in den neuen Stadtteil Misfahs hinüber, um einen letzten Blick auf das idyllische Bergdorf zu genießen.

Auf dem Rückweg nach Muscat konnten wir diesen wundervollen Sonnenuntergang bestaunen
Misfah wird in verschiedenen Reiseberichten als schönstens Dorf in Oman betitelt. Völlig zu Recht, wie wir finden (auch wenn wir nicht viele Vergleichsmöglichkeiten haben). Wenn man hinfährt, sollte man unbedingt ausreichend Zeit und besseres Wetter mitbringen. Falls es uns nochmal nach Oman verschlägt, kommen wir mit Sicherheit wieder!