Whisky hat in Schottland eine lange Tradition. Das „Wasser des Lebens“ (so heißt es nämlich dem gälischen Wortursprung nach) hat schon vor hunderten von Jahren so manchen Highland-Clan durch kalte Winternächte gerettet. Und auch heute noch, im Zeitalter der elektrischen Heizung, ist die Nachfrage ungebrochen, ja sogar größer denn je. Das „flüssige Gold“ ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, rund 40 Prozent des weltweit getrunkenen Whiskys wird in Schottland hergestellt. Kein Wunder also, dass es im ganzen Land unzählige Brennereien gibt. Je nach Region schmeckt der edle Tropfen anders – mal rauchig schwer, mal fruchtig leicht. Jeder Whisky ein kleines Kunstwerk für sich.
Weil einer von uns beiden großer Whisky-Liebhaber ist, stand es natürlich außer Frage, dass auch wir uns auf die Spur des flüssigen Goldes begeben. Ganz oben auf der Agenda: ein Destillerie-Besuch! Die meisten (und laut Reiseführer auch die „besucherfreundlichsten“) von ihnen liegen in der Speyside, der zentralen Whisky-Region Schottlands, entlang des sogenannten „Malt Whisky Trails“, der auf 112 Kilometern von Whisky-Erlebnis zu Whisky-Erlebnis führt. Doch wir haben uns für eine Destillerie in einer anderen Region entschieden. Nämlich: Talisker auf der Insel Skye!
Talisker: Made by the Sea
Talisker ist tatsächlich die einzige Destillerie, die auf Skye noch in Betrieb ist. Genau aus diesem Grund war sie für uns so spannend. Rein äußerlich macht sie nicht unbedingt viel her: weiß getünchte Wände, an denen in schwarz das Logo prangt. (Da ist zum Beispiel Strathisla mit seinen hübschen Türmchen deutlich ansehnlicher). Aber der Whisky, der ist was besonderes: rau wie das Meer, klar wie eine Brise Seeluft. Eben: made by the sea.
Und auch die Tour durch die heiligen Hallen ist ein Erlebnis. Wir können von Glück sagen, dass wir früh genug vor Ort waren, denn ab mittags waren alle Tourplätze für den Rest des Tages ausgebucht. In der Destillerie selbst ist das Fotografieren weitestgehend verboten, denn jedes Foto, das irgendwo publiziert wird, könnte Wettbewerbern streng gehütete Geheimnisse verraten. Also schnell die Kamera weggepackt und dafür die Ohren gespitzt! Unser Guide führte uns durch die gesamte Produktion und erklärte uns alles sehr anschaulich – von der Auswahl der Rohstoffe über das Mälzen und die Gärung bis hin zur Destillation. Erinnerte uns insgesamt ein wenig an eine Bierbrauerei, nur dass es dort keine Destillation und keine Reifung in Fässern gibt.
Zum krönenden Abschluss konnten wir nicht nur einen Blick auf das Fasslager werfen, sondern bekamen natürlich auch eine Kostprobe des bekanntesten Talisker Whisky gereicht: Talisker Storm. Slàinte mhath!
Ein persönlicher Hinweis: Nehmt euch in Acht vor der Touristenfalle „Destillerieshop“! Wer sich mit Whisky nicht auskennt, zahlt dort für den edlen Tropfen meist unnötig viel Geld. Auch wenn das Tourticket mit einem Rabatt von 5 GBP lockt, so liegen die Preise etwa 20-25% über den deutschen Einzelhandelspreisen. Lediglich bei speziellen Kleinserien, die ausschließlich in der Destillerie verkauft werden, lohnt es sich gegebenenfalls zuzuschlagen.
Speyside Cooperage: Eine Erfahrung für alle Sinne
Natürlich haben wir uns auch die Fahrt entlang der berühmten Speyside nicht nehmen lassen! Der kleine Fluss Spey versorgt dutzende Destillerien mit Wasser für die Whiskyherstellung. Wer dort ist, hat die Qual der Wahl. Ein großer Name nach dem anderen. Wir haben kurz an der wohl bekanntesten Destillerie Halt gemacht: Glenfiddich! Doch schon auf dem Parkplatz zeigte sich die Kehrseite dieser Bekanntheit: trotz bereits fortgeschrittener Stunde war es einfach unglaublich voll! So schön die Gebäude auch anzusehen waren – für eine weitere Führung in diesem Getümmel fehlte uns schlichtweg die Motivation.
Aber unser Reiseführer hatte noch ein kleines Ass im Ärmel: die Speyside Cooperage in Craigellachie! Das Böttcherhandwerk, eine schon fast ausgestorbene Traditionsarbeit, wird hier mit Herz gelebt und gelehrt. Ein echter Scotch muss nunmal mindestens drei Jahre in einem Eichenfass reifen. Und dafür werden immer wieder Fässer gebraucht. Etwas überrascht waren wir, als wir auf den Parkplatz fuhren und nur ein weiteres Auto dort stand. Hatte die Cooperage etwa schon geschlossen? Keineswegs! Aber offenbar galt das Interesse der anderen Touristen mehr dem Whisky als einem essentiellen Teil davon: dem Fass. Wir können nur eins sagen: jeder, der hier vorbei fährt, verpasst was!
Schon auf dem Weg zu den Werkhallen entdeckten wir jede Menge „recycelte“ Fässer, die zu Dekoration oder Möbeln umgebaut wurden. Ach, hätten wir doch bloß noch mehr Platz im Koffer… An der Infotheke überbrachte man uns dann die freudige Botschaft, dass wir eine kleine Privatführung erhalten würden. Juhu! Gestartet ist diese mit einem kurzen Film über die Geschichte der Cooperage, anschließend ging es in die Werkhallen.
Von einer Galerie aus konnten wir den gesamten Herstellungsprozess eines Fasses beobachten. Wirklich beeindruckend ist der minimale Einsatz von Maschinen. Hier wird an vielen Stellen noch mit den Händen und echter Muskelkraft gearbeitet. Mittlerweile steht nicht mehr die Produktion neuer Fässer im Vordergrund, denn diese haben eine extrem lange Lebensdauer (ca. 60 Jahre). Es wird eher repariert und neu zusammengesetzt. Im Gegensatz zum klassischen Kentucky Bourbon, der in den USA verbreitet ist, bedarf es nämlich bei der Herstellung von Scotch keines neuen Fasses. Viele Destillerien experimentieren sogar mit verschiedenen „alten“ Fässern, um ihre Rezeptur zu optimieren. Manchmal gleicht es einem Puzzlespiel, wenn ein Bötcher eine passende Daube für sein beschädigtes Fass sucht. Doch mit ein wenig Augenmaß und einer großen Portion Erfahrung ist schnell der richtige Ersatz gefunden. Es wird gehämmert, Fässer werden durch die Gegend gerollt und die Innenseiten werden ausgebrannt. Eine Erfahrung für alle Sinne, die wir definitiv nicht missen möchten!
The Quaich Bar: Mehr Auswahl geht nicht!
Während unserer Tour durch die Speyside haben wir von der Quaich Bar erfahren. Diese soll die größte Auswahl an Single Malts weltweit zum Ausschank anbieten. Davon mussten wir uns natürlich selbst überzeugen!
Erstmal war es gar nicht so einfach, die Bar überhaupt zu finden. Im Craigellachie Hotel im gleichnamigen Ort sollte sie sein. Ein Hotel in einem winzigen Nest sollte doch nicht zu übersehen sein! Dachten wir. Tatsächlich sind wir gleich zwei mal an dem Hotel vorbei gefahren. Wer hat es denn auch abseits der Straße versteckt in eine Kurve gebaut? Endlich angekommen wartete die nächste Herausforderung: Wo, bitte schön, soll denn hier die Quaich Bar sein? Weit und breit war kein Mensch zu sehen, also versuchten wir es einfach an der erstbesten Tür. Hinter dieser verbarg sich tatsächlich eine kleine Bar – mit einer Handvoll Flaschen hinter dem Tresen. Das kann es doch nicht sein, oder? Es war Nachmittag, gähnende Leere breitete sich vor uns aus. Zu spät für Teatime und zu früh für´s Dinner. Personal war auch nicht in Sicht. Also sind wir wieder raus.
Fast hatten wir aufgegeben, als uns ein Gärtner den entscheidenden Tipp gab: einmal ums Hotel rum und die Treppe hoch, dann kommt man zur Rezeption. Dort erklärte uns ein Angestellter, dass die Bar zwar geschlossen sei, wir aber trotzdem einen Blick hinein werfen dürften. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen! Als wir durch die Tür traten, schlug uns ein Funkeln von hunderten Goldtönen entgegen. Unglaublich beeindruckend – auch ohne Tasting. Die Sammlung ist riesig, mittlerweile sind über 800 unterschiedliche Single Malt Flaschen im Bar-Sortiment.
The Scottish Whisky Experience: Für Liebhaber und solche, die es werden wollen
The Scottish Whisky Experience ist eine gute Gelegenheit für Städtereisende in Edinburgh, die in kurzer Zeit viel über das schottische Nationalgetränk erfahren wollen. Es gibt eine große Bandbreite an verschiedenen Touren zu unterschiedlichsten Preisen. Wir haben uns für die einfache „Silver Tour“ entschieden, da wir durch die vorherigen Besuche in Destillerien und in der Cooperage schon einiges erfahren konnten.
Die Scottish Whisky Experience ist aber nochmal ein ganz anderes Erlebnis. Während einer entspannten Fahrt in einem Fass erzählt Masterblender Douglas McIntyre die Geschichte des Scotch. Im Anschluss gibt es eine kleine Einführung in die verschiedenen schottischen Whisky-Regionen. Eine Rubbel-Geruchskarte, wie man sie von Parfümproben aus Zeitschriften kennt, hilft, die typischen Geruchs- und Geschmacksnuancen der Regionen zu identifizieren. So kann jeder seinen persönlichen Lieblingswhisky erschnüffeln.
Das absolute Highlight der Tour ist allerdings die anschließende Verkostung im Bernsteinzimmer! Dabei handelt es sich natürlich nicht um das berühmte Zimmer von Peter dem Großen, um das sich so viele Mythen ranken. Den Besucher erwartet eine riesige Whiskysammlung, die unter anderem die älteste bekannte Flasche Scotch (aus dem Jahre 1897) beherbergt. Durch die abgestimmte Beleuchtung glitzert es aus allen Ecken. Eine absolut tolle Atmosphäre und ein krönender Abschluss für unsere Whisky-Tour.