Bei unserem Wochenendtrip nach Stockholm stand eins ganz oben auf unserer To-Do-Liste: ein Ausflug in die Schären! Wir hatten so viele traumhaft schöne Bilder gesehen und auch unser Reiseführer ließ verlauten, dass man die schwedische Hauptstadt unmöglich verlassen kann, ohne den Schärengarten besucht zu haben. Die zumeist ziemlich idyllischen Felsinseln versprechen Erholung pur! Wir stellten uns vor, wie wir im strahlenden Sonnenschein inmitten hübscher, bunter Holzhäuschen umher spazierten, auf felsigen Klippen sitzend das Ostseepanorama in uns aufsogen und uns zum krönenden Abschluss mit einem leckeren Kakao in einem der vielen gemütlichen Cafés belohnten. Klingt himmlisch, oder? Doch dann kam alles ganz anders. Fangen wir mal von vorne an.
Die Qual der Wahl: Welche Insel darf’s denn sein?
30.000 Inseln. Nein, wir haben nicht aus Versehen eine Null zu viel eingetippt. Der Stockholmer Schärengarten besteht tatsächlich aus rund 30.000 Inseln. Auch wenn nur ein Bruchteil von ihnen bewohnt und damit für Touristen zugänglich ist, fällt die Wahl des richtigen Ausflugsziels gar nicht so leicht. Nachdem wir Stora Fjäderholmen wegen der unmittelbaren Nähe zur Stadt und der damit einhergehenden Sorge vor zu viel Rummel direkt ausgeschlossen hatten, lieferten sich Vaxholm und Grinda ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen. Vaxholm gilt zwar als Hauptstadt des Schärengartens, aber wir hofften, dass die rund 60-minütige Bootsfahrt so manchen Touristen mit Zeitnot abschrecken würde und wir die landestypischen Holzhäuschen, für die die Insel so bekannt ist, in Ruhe genießen konnten.

Die Boote fahren täglich nach Fahrplan.
Grinda wiederum reizte uns besonders wegen seiner unberührten Natur und seinen einsamen Stränden, die wir im April natürlich nicht zum Baden nutzen würden können. Aber lohnt sich die knapp zweistündige Fahrt (je Strecke!) dann überhaupt? Wir überlegten hin und her, schliefen ganze zwei Nächte über unsere Entscheidung – und kamen keinen Schritt weiter. Am Ausflugstag liefen wir zum Fährterminal „Strömkajen“ von „Waxholmsbolaget“ und kauften aus dem Bauch heraus zwei Return-Tickets nach Vaxholm. Die Holzhäuschen waren einfach zu reizvoll! Na dann auf ins Abenteuer!
4 Jahreszeiten an einem Tag: Vielen Dank, April!
Unter leuchtend blauem Himmel tuckerte unser Boot auf´s Wasser hinaus. Trotz des eisigen Fahrtwinds entschieden wir uns für einen Sitzplatz an Deck und genossen die herrliche Aussicht auf das immer kleiner werdende Stockholm. Doch kaum dass wir die ersten Inseln erreicht hatten, zogen plötzlich graue Wolken auf, die uns wenige Sekunden später mit einem dichten Schneeschauer beehrten. Na klasse! Die Sichtweite verringerte sich von jetzt auf gleich auf knapp 50 Meter. Vorbei war´s mit dem schönen Panorama. Wir verzogen uns ins Trockene und ergatterten mit Glück noch eine freie Sitzbank. Frustriert schauten wir den tanzenden Flocken zu. Naja, vielleicht hört es ja wieder auf, bis wir Vaxholm erreichen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

In Vaxholm begrüßte uns ein kleiner Schneesturm.
Rund 45 Minuten später legten wir an. Es schneite immer noch wie verrückt. Alle Mitreisenden stürmten sofort in eins der umliegenden Restaurants, in denen sich die Kellner vermutlich schon die Hände rieben. Wieder ein paar dumme Touristen, die sich bei diesem Wetter auf die Schären wagen. Sollten wir es ihnen gleich tun? Ratlos blickten wir uns um. Und dann besannen wir uns, warum wir eigentlich hier waren: wir wollten die Holzhäuschen sehen! Diesen Plan lassen wir uns doch von ein bisschen kristallisiertem Wasser nicht kaputt machen! Also zogen wir tapfer den Schal vors Gesicht, die Mütze tiefer in die Stirn und stiefelten los in Richtung der kleinen Wohnsiedlung rund um den Batteriparken im Nordosten der Insel.

Die kleinen bunten Häuser haben uns trotzdem verzückt!
Dort angekommen wurden wir für unsere Entschlossenheit belohnt: das Flockentreiben lichtete sich langsam und gab endlich einen vernünftigen Blick auf unsere Umgebung frei. Innerlich begannen wir zu jubeln. Holzhäuschen, so weit das Auge reicht! Und überall gab es schöne Details zu entdecken. Hier ein liebevoll dekorierter Fensterrahmen, dort ein bunt bepflanzter Blumenkübel. Entzückt schlenderten wir durch die Gassen und versuchten, unsere Eindrücke mit dem nötigen Respekt fotografisch festzuhalten – immerhin sind die Häuser allesamt bewohnt.

Ist das nicht idyllisch? Wir würden hier sofort einziehen.
Hinter dem Batteripark gelangten wir über die Cronhamnsgränd zu einer kleinen Bucht mit weiteren Häuschen, deren Terrassen direkt bis ans Wasser reichten. Es muss herrlich sein, hier den Sommer zu verbringen! Kurz begannen wir zu träumen. Doch die eisige Kälte, die sich so langsam durch unsere Kleidung fraß, erinnerte uns daran, dass jetzt gerade alles andere als Sommer war. Wir brauchten dringend einen warmen Kakao! Also liefen wir ein paar hundert Meter weiter zum Hembygdsgårds Café in der Trädgardsgatan. Laut Internet ein wahres Kleinod! Nur leider nicht im April, denn wir standen vor verschlossenen Türen… Mittlerweile hatte es wieder zu schneien begonnen. Wir entschieden, die Wohnsiedlung hinter uns zu lassen und das Zentrum der Insel anzusteuern. Entlang der Hamngatan – so wussten wir – gibt es weitere Cafés, bei denen wir uns Glück versuchen wollten.

Manchmal fallen die Häuser auch eine Nummer größer aus.
Auf der Jagd nach heißer Schokolade
Beim „Versuchen“ blieb es dann allerdings auch. Wir rüttelten an einer Tür nach der anderen: zu, zu, zu. Das gibt’s doch gar nicht! Klar, es war Nebensaison, aber die können ihre Touristen doch nicht so einfach im (Schnee-)Regen stehen lassen… In unserer Verzweiflung fingen wir an, durch die kleinen Lädchen zu bummeln – für wenigstens ein paar Minuten Wärme. Aber das war natürlich auch keine ernsthafte Lösung. Jedes Mal, wenn wir wieder vor die Tür traten, schlug uns die Kälte noch schlimmer entgegen. Also zogen wir weiter, wollten die Hoffnung einfach nicht aufgeben. Und dann sahen wir sie: eine kleine Boulangerie mit hell erleuchteten Fenstern (Söderhamnen 4). Begeistert stürmten wir hinein – und wurden fast erschlagen von der schieren Masse an Menschen, die sich dort in den engen Gastraum zwängte. Normalerweise wären wir auf dem Absatz wieder umgekehrt, aber in Ermangelung von Alternativen durften wir nicht wählerisch sein und schnappten uns nach kurzer Wartezeit zwei Hocker an einem schmalen Fenstertresen mit Blick auf’s Meer. Die wärmenden Getränke und der leckere Kuchen entschädigten für das nie abebbende Gewusel in unserem Rücken.

Während der Fika konnten wir uns wieder aufwärmen.
Bald rafften wir unsere Sachen zusammen und machten uns auf gen Hafen. Noch 15 Minuten blieben bis zur Abfahrt des Schiffes, das uns zurück nach Stockholm bringen sollte. Dann, wie aus dem Nichts, riss der Himmel auf. Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die immer größer werdenden Wolkenlücken und küssten die Dächer der Häuser. Wir schauten uns an – und waren uns einig: wir können jetzt unmöglich fahren! Zu verlockend war der Gedanke, die hübsche Schäreninsel nochmal im Sonnenschein zu erkunden. Also zogen wir wieder los, genossen das herrliche Wetter und bestiegen erst das nächste Schiff rund eine Stunde später.

Zum Ende unseres Trips kam sogar nochmal die Sonne raus.
Und die Moral von der Geschicht‘:
Ein Ausflug in die Schären lohnt sich ganz unbedingt! Wir kriegen heute noch Herzklopfen, wenn wir an die herrliche Idylle und die himmlische Ruhe in den schmalen Seitensträßchen zurückdenken. Und wir haben unsere Entscheidung für Vaxholm nicht bereut. In den mitunter kalten Frühlingsmonaten ist es definitiv notwendig, seine Inselerkundungen für einen wärmenden Kakao zu unterbrechen – und wäre auf Grinda vermutlich noch schwieriger zu bekommen gewesen. Im Sommer kann es durchaus empfehlenswert sein, eine etwas weiter entfernte Insel als Ausflugsziel zu wählen oder den Trip zumindest auf einen Wochentag zu legen. Sonst sieht man die Natur vor lauter Menschen nicht.