Neben den beiden Metropolen Tel Aviv-Jaffa und Jerusalem hat es Haifa – immerhin drittgrößte Stadt des Landes! – schwer, sich zu behaupten. Wenn man von Israel hört, den Reiseführer wälzt oder durch die Reiseberichte auf diversen Blogs stöbert, so steht die Stadt am Mittelmeer doch meist im Schatten ihrer großen Schwestern. Zu recht? Das wollten wir unbedingt herausfinden!
Das Tor zur Welt … und nach Israel: Haifa
Hafenstädte genießen oft den Beinamen „Tor zur Welt“. Bei Haifa handelt es sich allerdings eher um das Tor nach Israel, da es für viele Juden in den 1930er- und 1940er-Jahren der erste Anlaufpunkt bei ihrer Flucht vor dem Nationalsozialismus war. In dieser Zeit hat sich die Bevölkerung der einst kleinen, verschlafenen Hafenstadt beinahe verzehnfacht und auch heute noch ist der große Hafen ausschlaggebend für den Wohlstand der Region. Allerdings werden hier längst nicht mehr nur Waren umgeschlagen. Haifa ist ein äußerst beliebtes Ziel für sämtliche Kreuzfahrtschiffe, die durch das östliche Mittelmehr schippern.
Auf den Spuren deutscher Templer in der German Colony
Der Name „German Colony“ lässt zunächst vermuten, dass sich in dieser Gegend vermehrt deutsche Juden nach ihrer Flucht aus dem Dritten Reich angesiedelt haben. Doch tatsächlich ließen sich schon lange vor den Weltkriegen Templer aus Süddeutschland am Fuße des Karmel-Berges nieder. Deshalb findet man an den Wänden der Gebäude immer noch viele deutschsprachige Zitate und Haussegen.

Am Ben Gurion Boulevard findet man viele restaurierte Villen aus dem 19. Jahrhundert.
Die hübschen Häuser und Villen entlang der Hauptstraße, dem Ben Gurion Boulevard, wurden vor einigen Jahren aufwendig restauriert, nachdem sie lange Zeit ein eher trauriges Bild abgegeben haben. Mittlerweile lohnt sich ein Streifzug durch die Straßen, an denen sich inzwischen etliche sehr gute Restaurants angesiedelt haben. Besonders empfehlenswert für einen Mittagssnack ist das „Fattoush“ (Sderot Ben Gurion 38). Auf der schattigen Terrasse, die ungemein stilvoll mediterrane und orientalische Elemente verbindet, kann man perfekt entspannen und es sich mit Humus und frischen Säften gut gehen lassen.

Das Fattoush ist mittlerweile so beliebt, dass Schlange stehen obligatorisch ist.
Für ein grandioses Abendessen sollte man am besten das „Douzan“ (Sderot Ben Gurion 35) ansteuern. Die schicke Terrasse mit ihrem Himmel aus Lämpchen und Schirmen ist ein absoluter Blickfang, aber auch die Speisen sind ein wahres Geschmackserlebnis! Natürlich hat sich das längst rumgesprochen und das Restaurant erfreut sich großer Beliebtheit. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte lieber vorab einen Tisch reservieren.

Im Douzan genossen wir ein vorzügliches Abendessen. Tagsüber ist es eher still.
Der Ben Gurion Boulevard endet an einem Kreisverkehr, der seit einiger Zeit den etwas umständlichen Namen „UNESCO for Tolerance and Peace Square“ trägt. Von diesem Platz aus kommt man zu einem weiteren Highlight Haifas: dem Bahá’í-Tempel des Bab.
Heiligste Stätten jenseits von Jerusalem: der Bahá’í-Tempel des Bab
Schon mal was vom Bahaitum gehört? Wenn nicht, keine Sorge: auch unser Wissen über diese Religion ließ vor unserem Besuch in Haifa sehr zu wünschen übrig. Doch wenn die berühmteste Sehenswürdigkeit der Stadt ein Tempel samt riesiger Gartenanlage ebenjener Glaubensgemeinschaft ist, dann sollte man sie unbedingt näher kennenlernen!

Am Fuße des Karmel-Berges liegt einer der drei Eingänge zum Park.
Also machten wir uns auf den Weg zum Eingang der Anlage am Fuße des Karmel-Berges. An die obligatorischen Sicherheitschecks vor dem Betreten solcher Orte hatten wir uns in Israel schon längst gewöhnt und ehe wir uns versahen, lagen die Schranken bereits hinter uns. Nach einer anfänglichen Euphorie ob der schön angelegten Beete und dem tollen Blick auf den Hang folgte die Ernüchterung dann allerdings auf dem Fuß. Der gesamte Garten mit seinen unzähligen Treppen, die hinauf zum Gipfel des Berges führen, ist nur Anhängern der Religion zugänglich. Für alle anderen Besucher sind lediglich drei kleine Abschnitte der Anlage begehbar: das winzige Areal im Tal, in dem wir uns gerade befanden, ein Garten auf halber Höhe rund um den Tempel des Bab und der letzte Treppenabschnitt am Gipfel (hier allerdings nur mit geführter Tour).
In unserer naiven Vorstellung hatten wir uns inmitten des üppigen Grüns gemächlich die Stufen hinauf schlendern sehen – natürlich gelegentlich unterbrochen von Pausen, um den atemberaubenden Ausblick auf Haifa zu genießen. Stattdessen mussten wir uns nun einen anderen Weg zum Gipfel suchen. Natürlich respektieren wir die heilige Stätte der Bahá’í – und dennoch waren wir ein bisschen enttäuscht.

Zum Tempel des Bab konnten wir leider nicht den direkten Weg nehmen.
Statt des empfohlenen Taxis, das Lauffaule direkt nach oben kutschiert, wählten wir den ziemlich trostlosen Treppenweg parallel zur schönen Gartenanlage, der uns statt Blumen lediglich Aussichten in Hinterhöfe gewährte. Er zog sich wie Kaugummi. Mit jedem Treppenabsatz schwand ein weiteres Stück unserer Motivation. Zum Glück erreichten wir bald den Tempel des Bab und konnten uns nach erneuter Sicherheitskontrolle von den Mühen des Aufstiegs entspannen. Der Garten rund um den Tempel ist wirklich hübsch und die Kuppel des Gebäudes setzt sich strahlend vom blauen Himmel ab. Über dem ganzen Ort liegt eine herrliche, fast besinnliche Ruhe – trotz einiger Besucher. Der Tempel bzw. Schrein ist übrigens ein Mausoleum für die Gebeine des Bab. Der im Iran geborene Bab hat den nach ihm benannten Babismus aus dem Islam heraus begründet. Da seine Interpretation des Islam jedoch auf strenge Ablehnung der schiitischen Religionsführer stieß, wurde der Bab im Jahre 1847 verhaftet und 1850 hingerichtet. Der Babismus gilt als Vorstufe des Bahaitum, wodurch das Mausoleum des Bab eine der heiligsten Stätten der Bahai darstellt.

Am mittleren Eingang konnte man zumindest durch kleine Teile des Gartens spazieren.
Voller Hoffnung auf eine noch toller Aussicht und weiteren Zugang zum Garten traten wir anschließend das letzte Wegstück zum oberen Eingang an. In einem weiten Bogen folgten wir der Straße – und spielten innerlich mehrfach mit dem Gedanken, doch in ein Taxi zu steigen. Irgendwann war es geschafft. Wir waren oben! Der Ausblick ließ keine Wünsche offen, doch für den Zugang zum dritten Gartenareal – abgesehen von einer frei begehbaren Treppe – war leider Schlange stehen angesagt, denn ohne Führung geht hier nix. Wir entschieden uns dagegen.

Von oben eine wahre Augenweide, aber leider ist der Zugang sehr eingeschränkt.
Im Nachhinein betrachtet hätten wir – so wie viele andere Reisende auch – lieber doch das Auto nehmen sollen, um die Stationen des Bahá’í-Gartens abzuklappern. Der Weg dazwischen bot keine nennenswerten Highlights, so dass wir absolut nichts verpasst hätten. Ein wenig enttäuscht müssen wir zugeben: Der Garten war unser Hauptgrund, Haifa in unseren Roadtrip einzubauen und wir hätten nur allzu gern mehr von ihm gesehen. Vielleicht hätten wir uns im Vorfeld besser informieren sollen, dann hätten wir wohl über die beschränkten Zugangsmöglichkeiten Bescheid gewusst.
Außer dem Garten gab es für uns persönlich kaum etwas Sehenswertes in Haifa, so dass wir uns spontan für einen kleinen Ausflug entschieden. Nach: Akko!
Zurück in die Zeit der Kreuzzüge: Ein Besuch in der Festungsstadt Akko
Akko, Akkon, Acre – für die Kleinstadt 25 Kilometer nördlich von Haifa gibt es dutzende Schreibweisen. Freunde hatten dieses Ort in den höchsten Tönen gelobt und so hofften wir, unsere Enttäuschung über Haifa mit einem Besuch von Akkos Altstadt wieder ausgleichen zu können. Ein Tipp vorweg: Vermeidet es, mit dem Auto direkt in die Altstadt zu fahren. Etwas außerhalb gibt es dutzende Parkmöglichkeiten und ein paar hundert Meter Fußweg ersparen euch dafür unnötige Zeit im Stau!
Den Kreuzrittern auf der Spur
Als wir die kompakte Altstadt betraten, merkten wir schnell, dass es sich bei der kleinen Hafenstadt um eine richtige Festung handelt. Für die Kreuzritter war sie im 11. und 12. Jahrhundert ein strategischer Anlaufpunkt, dessen Herrschaft mehrmals zwischen Sultan Salah ad-Din und den Ritterorden unter Richard Löwenherz wechselte. Akko war zur Zeit der Kreuzzüge sogar vorübergehend die Hauptstadt des Königreichs Jerusalem, als Jerusalem selbst während des dritten Kreuzzuges nicht zurückerobert werden konnte.

Eine interessante Ausstellung versetzt die Besucher ins 12. Jahrhundert zurück.
Vor diesem Hintergrund waren wir auch nicht verwundert, dass viele Relikte der Kreuzritter in Akko zu finden sind. Das unbestrittene Highlight ist definitiv die unterirdische Kreuzfahrerstadt mit der Hospitaliter-Festung. Zur Besichtigung kauft man sich bestenfalls ein Kombi-Ticket, das mit 40 NIS nicht wirklich teuer ist, und kann damit noch weitere Museen anschauen. In der großen Anlage der Kreuzfahrerstadt wurden vor einigen Jahren viele der Gebäude aufwändig restauriert. Mit einer interessanten Ausstellung inklusive Audioguides wurde den alten Gewölben und Hallen wieder neues Leben eingehaucht und wir wurden in die Zeit der Kreuzzüge zurückversetzt.

Oftmals mussten wir hier den Kopf einziehen.
Nach der etwa zweistündigen Tour nahmen wir uns noch Zeit, den alten Kreuzfahrertunnel zu entdecken, der unter der Stadt hindurch zum Hafen führt. Wir stiegen tief hinab und folgten den niedrigen Gängen, wie es einst die Kreuzfahrer taten. Eine interessante Erfahrung! Auf der anderen Seite angekommen standen wir inmitten von Akkos Hafengegend. Viel zu sehen gibt es dort nicht. Dennoch setzten wir uns mit einem frisch gepressten Granatapfelsaft auf die Kaimauer, sahen einem jungen Mann beim Angeln zu und genossen bei einer leichten Brise die Atmosphäre. Fühlte sich gleich viel besser an als in Haifa.

Am Meer sitzen und das Leben genießen… Was gibt’s Schöneres?
Durch die Altstadt und über den Basar
Nach einer kurzen Pause machten wir uns wieder auf, die Altstadt von Akko zu erkunden. Sie besteht vorwiegend aus Fußgängerzonen, die sich in einem verwinkelten Labyrinth aus Gassen und Gängen verbinden – und nicht selten als „Dead End“ in einem Hinterhof enden. Aber so bleibt das Entdecken spannend. Nach dem Straßengewirr von Jaffa und Jerusalem waren wir gut in Übung, ein paar Hinweisschilder taten ihr Übriges. Immer wieder fanden wir auch hier bunte Wände mit Streetart, die allerdings deutlich klassischere Motive zeigten als in den größeren Städten.
Auf keinen Fall verpassen solle man übrigens den türkische Basar, wurde uns gesagt. Er sei bekannt für seine feine Handwerkskunst und damit ein wahres Paradies für Souvenirjäger. Also schauten wir vorbei – und zogen ziemlich schnell weiter. Es war zwar sehr belebt, doch das Angebot an den Ständen traf nicht so ganz unseren Geschmack. Stattdessen deckten wir uns lieber bei einem der Bäcker mit einer ordentlichen Ladung Baklava ein und tankten am Wasser noch ein wenig Sonne.

Wer kann denn bei solchen Leckereien widerstehen?
Verschenkte Zeit im Norden Israels?
Wie schon eingangs erwähnt, zieht Haifa im direkten Vergleich zu Tel Aviv oder Jerusalem oft den Kürzeren. Nach unserem Besuch können wir verstehen, warum. Denn während wir in den beiden anderen Städten kaum wussten, wie wir unsere begrenzte Zeit auf all die spannenden Dinge verteilen sollten, die es dort zu entdecken gab, hatten wir Haifa nach nicht mal einem halben Tag abgehakt. Klar, die Bahá’í-Gärten sind nett und an tollen Restaurants mangelt es nicht, aber das war’s dann auch. Nochmal herkommen würden wir wohl nicht. Akko hat uns zwar gut gefallen, aber dort haben wir schließlich alles gesehen, was es zu sehen gibt. Unser Herz gehört weiterhin Tel Aviv!
Ein Gedanke zu “[Israel] Auf den Spuren der Kreuzfahrer: Unterwegs in Haifa und Akko”